Stellungnahmen

[05. August 2016]
Wege aus der Vertrauenskrise
Wortmeldung des Berliner Initiativkreises in der Diskussion um die Vertrauenskrise der Leitmedien

[29. März 2016]
Offener Brief an die Vorsitzende der ARD in Sachen Jedermann-Netzwerke

[29. März 2016]
Offener Brief an den Intendanten des ZDF in Sachen Jedermann-Netzwerke

[14. Januar 2016]
Offener Brief an den Botschafter Polens zu den Veränderungen bei Rundfunk und Fernsehen in Polen

[09. April 2015]
Gemeinsamer offener Brief von BIKÖR und IÖR an die Deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments zur geplanten Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

[08. April 2015]
Offener Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zur geplanten Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

[16. Dezember 2009
Aufruf zu mehr Staatsferne im ZDF

[13. Juni 2008]
Manfred Rexin: Nachbemerkung zur Sitzung im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages

[18. April 2007]
Qualität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

[26. Oktober 2005]
Brief an die Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Dr. Verena Metze-Mangold

[08. März 2004]
Stellungnahme zur Diskussion um eine Rundfunkstrukturreform

[20. Januar 2003]
Offene Gratulation an die Mitglieder des Rundfunkrates des Rundfunks Berlin-Brandenburg

[19. März 2002]
Stellungnahme des Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk zum Entwurf eines Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg

AUFRUF ZU MEHR STAATSFERNE IM ZDF

Medien müssen die Machthaber unabhängig kontrollieren können


Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk fordert die Regierenden auf, ihren übermäßigen – und damit verfassungswidrigen – Einfluss in den Aufsichtsgremien des ZDF aufzugeben. Nach dem Fall Brender kann nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Was da geschehen ist, kann sich jederzeit wiederholen, wenn nicht die zugrunde liegenden Strukturen korrigiert werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Kriterien für eine verfassungsgemäße Gremienzusammensetzung in der mündlichen Verhandlung über das WDR-Gesetz und in seinem nachfolgenden Urteil schon 1991 entwickelt:

Dieses Modell sollte Pate stehen für eine verfassungsgemäße Modernisierung des ZDF-Staatsvertrages, denn es garantiert die erforderliche Staatsferne durch eine entsprechende Organisationsstruktur.

Die in der Rundfunkkommission der Länder bislang vorgesehenen Veränderungen des ZDF-Staatsvertrages sind nur ein Kurieren an den Symptomen, aber nicht die – längst überfällige – staatsferne Neuordnung des ZDF.

Man mag sich ja schwer tun, die eigene Macht zu beschneiden, aber die Entscheidung über die Berufung von Programmverantwortlichen im ZDF durch die Exekutive ist verfassungsrechtlich unerträglich. Zuschauer und Gebührenzahler verdienen einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der die Regierenden kontrolliert und nicht in programmwichtigen Personalentscheidungen von ihnen gegängelt werden kann.

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk fordert deshalb die Bundestagsabgeordneten auf, mit mindestens einem Viertel der Mitglieder des Bundestages eine Normenkontrollklage zur Überprüfung des ZDF-Staatsvertrages beim Bundesverfassungsgericht zu erheben.

Die hohe Kultur der Rundfunkfreiheit in Deutschland wird es ihnen danken.

Der Kölner Initiativkreis öffentlicher Rundfunk schließt sich diesem Aufruf an !


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Manfred Rexin
Dr. phil. h.c. Diplomvolkswirt


Frau RA
Antje Pieper
Bartningallee 9
10557 Berlin

Datum: Freitag, 13. Juni 2008

Liebe Frau Pieper,

das Bundestagsgebäude, in dem wir uns gestern mit den Mitgliedern des Initiativkreises trafen, um u.a. über das Thema „Parlamentsfernsehen" zu diskutieren, ist nach dem ehemaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe benannt. Er war der erste Politiker in der deutschen Parlamentsgeschichte, der sich für eine Übertragung parlamentarischer Debatten im Rundfunk einsetzte - dazu ein paar Seiten aus einer Broschüre über seinen Lebensweg. Ich hatte sie zu Löbes 125. Geburtstag gemeinsam mit meinem Kollegen Siegfried Heimann verfasst:

II. Der Politiker Paul Löbe (Manfred Rexin)

1904 wurde Paul Löbe Stadtverordneter in Breslau - in der Stadt, in der Ferdinand Lassalle geboren und - nach seinem Genfer Duell - begraben worden war.

Der Erste Weltkrieg wurde auch für Paul Löbe zur Zeitenwende. Nachdem die Illusionen des "Burgfriedens" verflogen waren und der Streit zwischen Fürsprechern und Gegnern der Kriegskredite zu Abspaltung und Gründung der USPD geführt hatte, entschied sich Löbe für die von Ebert und Scheidemann repräsentierte Mehrheitssozialdemokratie: "Wir Breslauer standen in der Mehrzahl bei den Kreditverweigerern, lösten aber deshalb unsere Zugehörigkeit zur alten Parteien nicht, sondern verblieben in ihren Reihen trotz dieser Differenzen."

Im Januar 1919 wählte ihn Breslaus Bürger in die Verfassunggebende Nationalversammlung, deren Vizepräsident er im Juni jenes Jahres wurde. Und dann folgten zwölf Jahre im Amt des Reichstagspräsidenten - mit kurzer mehrmonatiger Unterbrechung 1924.

Dramatische Szenen im Parlamentsplenum hatte er zu bändigen - nach der Ermordung Rathenaus 1922 - und insbesondere in den frühen 1930er Jahren, als Nationalsozialisten und Deutschnationale rechts und Kommunisten links den Reichstag zu lähmen suchten.

Wenn wir manches davon heute akustisch wahrnehmen können, ist das auf eine Entscheidung Löbes zurückzuführen. 1923 hatte der Rundfunk in Deutschland zu senden begonnen. Löbe plädierte dafür, wichtige Sitzungen des Reichstages auf Wachsplatten mitzuschneiden und Ausschnitte aus den Parlamentsdebatten im Rundfunk zu verbreiten - nicht live, wie man heute sagen würde, aber doch in enger Nähe zum aktuellen Geschehen. Im Oktober 1929 war Reichsaußenminister Gustav Stresemann gestorben - Millionen hatten die Trauerfeier an ihren Raio-Empfängern verfolgt. Von der Tribüne des Reichstages war Stresemanns Stimme jedoch nie im Rundfunk zu vernehmen gewesen, und daran erinnerte Paul Löbe als er im Juli 1930 für den Gedanken warb, parlamentarische Debatten stärker mit dem neuen Medium zu verbinden.

Tondokument 3: Paul Löbe am 12.06.1930 (4’ 08’’)

"Es war ja bereits einmal bei einer der letzten Reden Stresemanns eine solche gelegentliche Übertragung geplant. Wir hatten sie vorbereitet, die Hörer waren schon davon verständigt. Diese Übertragung musst aber nach dem Protest von drei Parteien im letzten Augenblick zu meinem Leidwesen unterbleiben. Hier scheint mir aber jeder damals erhobene Einwand besonders hinfällig.

Der Reichstag setzt sich damit sogar selbst im Nachteil. Jede sonstige Ministerrede, die bei anderen Gelegenheiten, bei irgendwelchen Anlässen, bei Empfängen, bei der Presse oder sonst wo, oft genug auch bei Feierlichkeiten im Reichstagssaale selbst erfolgt, die ist ruhig übertragen worden. Nur, wenn sie in der Sitzung des Reichstages gehalten wird, wenn sie vielleicht besondere wichtige politische Bedeutung hat, kann es bis jetzt nicht geschehen. Warum nicht? Weil man nicht alle Redner übertragen kann, die drauf antworten.

Aber hier, in solchen Fällen, wird ausdrücklich von vornherein mitgeteilt, es handelt sich um die einmalige, meinetwegen auch die einseitige Darstellung, die von der Regierung über eine bestimmte Frage erfolgt ist. Will jemand die abweichenden Meinungen nun ganz genau kennen lernen, so kann er sich das Protokoll oder die Zeitungen der verschiedenen Parteien zur Hand nehmen. Aber noch mehr, gegen den Einwand lässt sich erst recht anführen, dass eine kombinierte Methode aus der einmaligen direkten Wiedergabe wichtiger Reden aus dem Sitzungssaale selbst und der Zusammenstellung von Antworten, wie sie uns der Rundfunk mithilfe der Schallplatten vorgeschlagen hat, dass daraus sich ein Bild über die Verhandlungen des Reichstages herstellen lässt, dass auch technisch tragbar ist.

Dann ist es möglich, die Stellung der einzelnen Parteien undParteiredner, sagen wir zum Young-Plan, sagen wir, zur Finanzsanierung, sagen wir, zum Notopfer, zur Arbeitslosenversicherung, zum Strafgesetzbuch, abends in einer bestimmten Stunde weiterzugeben. Man kann dann zur Sicherung der Objektivität meinetwegen soweit gehen, den Abgeordneten selbst zu fragen, welchen Teil seiner Rede für den wichtigsten, für den ausschlaggebenden hält, welchen er durch den Rundfunk verbreitet haben will, immer abgemessen nach einer bestimmten Redezeit, wie sie jedem Redner dabei zugemessen wird.

In dieser Form scheint die Verbindung von Reichstag und Rundfunk auf alle Fälle durchführbar. Denn eines brauchen wir doch auch nicht aus dem Auge zu lassen: Wie viel der Rundfunkhörer sich anhören will, das steht ihm ja frei. Ein Griff an den Schlüssel des Lautsprechers oder an die Hörmuschel - und die Sitzung ist für ihn aus. Er hat es da doch viel besser als ich, der ich den Redner bis zum Ende anhören muss und nicht abstellen kann. Damit nun aber meine verehrten Zuhörer nicht gleich auch zur Tat schreiten und den Apparat abstellen, will ich lieber selbst zum Schluss übergehen und mich zusammenfassen.

Ich bin dafür, zunächst für die gelegentliche Übertragung besonders wichtiger Sitzung aus dem Reichstagsgebäude selbst und dann verbunden mit objektiven, ungefähr gleich langen Auszügen aus den Reden der Abgeordneten, die zu dieser Frage, die gerade zur Debatte steht, das Worten nehmen."

Zu dieser Zeit - im Frühsommer 1930 - konnte sich Löbe allerdings noch nicht vorstellen, zu welchen rhetorischen Exzessen die Reichstagstribüne nach dem Einzug der Nationalsozialisten dienen würde. Noch pflegten die Parteien der Weimarer Republik untereinander einen überwiegend sachlichen Ton. Ein fast kurioses Beispiel für den immerhin noch halbwegs zivilen Umgang bietet eine Rundfunk-Aufnahme vom März 1930 - technisch nicht besonders gut, aber immerhin verständlich, wie ich denke. Es handelte sich um ein Gespräch zwischen Paul Löbe und einem der Hardlinern der Deutschnationalen - einem baltischen Baron, Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven - über den Artikel 48 der Weimarer Reichsverfassung - und die sich darauf in Krisenzeiten gründende Diktaturialgewalt des Reichspräsidenten.

Tondokument 4: Paul Löbe mit Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven in einer Rundfunksendung am 25.03.1930 (4’ 59’’)

Löbe: "Verehrter Kollege von Freytagh-Loringhoven, ich begrüße es außerordentlich, dass wir auch hier vor dem Rundfunk einmal über die Streitfrage uns unterhalten können, die ja Gegenstand vieler öffentlicher Auseinandersetzungen in der letzten Zeit gewesen ist und von der manche unserer Landsleute meinen, dass sie heute besonders aktuell wäre. Ich entnehme nämlich vielen Äußerungen aus Ihrem Lager, dass sie diktatorische Maßnahmen, die Anwendung des § 48 oder sonstige Ausnahmebestimmungen für geeignet halten, Schwierigkeiten der Gegenwart in Deutschland zu überwinden. Während ich in solchen Maßnahmen immer eine Minderung der staatsbürgerlichen Rechte unserer Landsleute und eine Degradierung des Bürgers erblicke und mir auch ein Notwendigkeit dazu nicht vorzuliegen scheint. "

Freytagh: "Ich begrüße es ebenso wie Sie, werter Herr Präsident, dass wir uns in Ruhe und in aller Sachlichkeit über diese Frage aussprechen können. Ich für meine Person bin allerdings der Meinung, dass die gegenwärtige Lage, und nicht nur sie, uns zwingen, über Auswege nachzudenken, die m. E. das heutige parlamentarische System nicht bietet."

Löbe: "Sprechen Sie dabei, Herr Kollege, von den Notwendigkeiten von heute allein, oder meinen Sie das parlamentarische System überhaupt?"

Freytagh: "Ich möchte beides bejahen. Aber vielleicht ist es am besten, wenn ich zuerst das hervorhebe, was ich als die größte grundsätzliche Schwäche des parlamentarischen Systems ansehe. Ich darf daran erinnern, dass wir seit rund 150 Jahren, seit den Zeiten Montesquieus, die Trennung der Gewalten als den Ausgangspunkt oder als die Grundlage eines jeden richtigen Funktionierens der staatlichen Maschinerie ansehen. Und gerade diese Grundlage fehlt m. E. dem parlamentarischen System. Es geht jedoch um die gesamte Trennung der Gewalten. Vollziehende Gewalt, gesetzgebende und richtende sollen sich in verschiedenen Händen befinden. Gewiss, die Rechtspflege - sie steht auch heute selbstständig da, aber Gesetzgebung und Vollziehung liegen praktisch in einer Hand, da ja doch die parlamentarische Regierung, das parlamentarische Kabinett, im Grunde nichts ist als ein Vollzugsausschuss des Parlaments. Also regiert in Wirklichkeit, wenn auch mittelbar, das Parlament selbst, und das nun halte ich für vollkommen unangängig, da eine Körperschaft von rund 500 Köpfen allerdings beraten und beschließen kann, da sie aber vollständig außerstande ist, zu handeln. Und regieren heißt doch handeln. (...) Im Übrigen, Herr Präsident, möchte ich doch betonen, dass es mir kein Fehler zu sein scheint, wenn die Führerpersönlichkeit sich gleichviel unter welchem Regime, unter welcher Staatsform, durchsetzen kann. Einer der schwersten Mängel des parlamentarischen Regimes liegt meiner Auffassung nach gerade darin, dass auf die Ausschaltung des Führergedankens gerechnet ist und dass jene 500 Köpfe als ganze Masse regieren sollen, gegliedert nur in Parteien."

Löbe: "Merkwürdig, Herr Kollege von Freytagh, ich bin gerade umgekehrter Meinung, die Demokratie sucht nach meiner Meinung ihre Führer in dem großen Becken des ganzen Volkes, während nach dem monarchischen System dem Volke Führer aus einer Kaste aufgenötigt werden - und obendrein durch den Zufall der Geburt eine Menge solcher, die überhaupt keine Führer sind. Das gilt meiner Meinung nach sogar von einer ganzen Anzahl der Hohenzollern. Auch aus den 500 treten einige Abgeordnete, wie sie meinen, treten einige wenige als Führer vor, ohne die auch nach meiner Meinung das Staatsschiff nicht sicher geleitet wird. Überhaupt das Führerproblem, die Demokratie in Deutschland - das fällt mir grade ein - hat Ebert, Simons, Hindenburg an die Spitze des Staates gestellt. Die Anhänger der Diktatur haben uns Kapp, Ludendorf, Hitler, Stinnes oder Hugenberg empfohlen. Ich glaube, wir halten den Vergleich aus!"

Diese Tonaufnahme entstand am 25. März 193o - zwei Tage später, am 27 März, scheiterte die Regierung der großen Koalition. Den sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller löste der Zentrumspolitiker Heinrich Brüning ab.

In der Phase der Präsidialkabinette - Brüning, Papen, Schleicher - begann der Verfall der republikanischen Ordnung. Mitte September soll ein neuer Reichstag gewählt werden. Im Wahlkampf setzte die SPD wieder Schallplatten ein - darunter eine mit der Stimme Paul Löbes.

Der Text erschien 2001 - beigefügt war eine kleine CD mit Tondokumenten, darunter eine Rundfunkrede Löbes vom Juni 1930, in der er seinen (schon damals umstrittenen) Vorschlag wiederholte, wichtige Sitzungen des Reichstages auf Wachsplatten mitzuschneiden, um sie dann im Rundfunk hören zu können. (s.o. Tondokument 3) In der Folgezeit sind nur wenige Reichstagssitzungen so akustisch für die Nachwelt ge­speichert worden - das geschah zu einer Zeit, als die extremistischen Parteien ganz rechts und ganz links begonnen hatten, die parlamentarische Arbeit massiv zu stören. Auf dem Platz des Reichtagspräsidenten wurde Paul Löbe durch Hermann Göring abgelöst.

Mit besten Grüßen

Manfred Rexin


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Qualität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Dualen System ist Kritik ausgesetzt. Seine kommerziellen Mitbewerber um Zuschauer, Hörer und Werbekunden zielen mit ihrer Kritik letztlich darauf, gebührenfinanzierte Programmanbieter zu einem Nischendasein zu verurteilen. Flankiert wird diese interessengerichtete Kritik von Printmedien, deren Verlage sehr oft Mitveranstalter kommerzieller Rundfunkprogramme sind. Diese Kritiker konzentrieren sich auf die Rundfunkgebühren, die Werbung, die Bestands- und Innovationsgarantien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Zahl der Programme, den Personalbestand, den administrativen Aufwand, das weltumspannende Korrespondentennetz, die Klangkörper sowie den Anspruch auf die Veranstaltung massenattraktiver Sport- und Unterhaltungsprogramme. In zeitlichem Zusammenhang mit der letzten Gebührenrunde haben sich auch Ministerpräsidenten einigen Aspekten dieser Kritik angeschlossen.

Sachbezogene Kritik an der Qualität des öffentlich-rechtlichen Programmangebots kommt vor allem von unabhängigen Fachmedien, aus dem Bereich der wissenschaftlichen Publizistik und von Mitarbeitern sowie von Mitgliedern der Kontrollgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten.

Hauptkritikpunkte sind:

  1. Zu starke Orientierung des Programms an Einschaltquoten zu Lasten anspruchsvollerer Sendungen aus Politik und Kultur vor allem zu Hauptsendezeiten.
  2. Trend zur Kommerzialisierung
  3. Gefährdung der integrativen Kraft von Voll-Programmen und deren Gemeinschaft stiftender Wirkung (z.B. durch zu starke Auffächerung der Angebote in Spartenprogramme)
  4. Zu wenig Angebote für Kinder und Minderheiten
  5. Zu starke finanzielle Einschränkungen des Hörfunks zu Gunsten des Fernsehens.
  6. Verzicht auf überlieferte Kulturträger wie Klangkörper und kulturelle Veranstaltungen
  1. Aufgaben und Ziele für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk

    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Dualen System ist durch Grundgesetz und Länderverfassungen, durch Rundfunkgesetze der Länder, durch Staatsverträge, wesentlich auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und nicht zuletzt durch die Traditionen des Kulturlebens in Deutschland definiert. Daraus ergeben sich Aufgaben, die im gesamten Programmspektrum den Dialog in und zwischen allen Gruppen der Gesellschaft im Geiste von Toleranz und Menschenwürde anregen sollen:

    1. Demokratische Willensbildung sichern helfen
      • mit unabhängiger und umfassender Information
      • durch breite Publikumsakzeptanz in allen gesellschaftlichen Schichten
    2. Toleranz und gegenseitigen Respekt fördern
      • durch die Präsentation unterschiedlicher gesellschaftlicher Positionen
      • durch das Beispiel kontrovers-kritischer und fairer Auseinandersetzung
    3. Die Selbstverständigung der Gesellschaft stärken
      • über Glauben, Ethik und Moral
      • über Individuum und Gemeinschaft
    4. Kulturelles Leben unterstützen und fördern
      • als Produzent und Förderer nicht marktgängiger Kulturprogramme und Kulturformen
      • durch Bewahren und Entwickeln des in Jahrzehnten gewachsenen Engagements für ein lebendiges musikalisches Leben mit Rundfunkorchestern und -chören
      • mit öffentlichen Plattformen und Foren für Kultur, auch für die unterschiedlicher ethnischer Gruppen
    5. Ethische und ästhetische Maßstäbe für die unterschiedlichen Unterhaltungsangebote entwickeln und umsetzen
      • vom Krimi bis zur Serie
      • von der Volksmusik bis zur Popmusik
      • mit der Förderung von differenzierter Sprache und sorgfältigem Sprechen (Hochsprache, angemessene Berücksichtigung von Dialekten)
    6. Zur individuellen Lebensbewältigung beitragen
      • mit Angeboten zu Wissen, Bildung und Verstehen
      • durch Servicesendungen u.a. zur Verbraucheraufklärung, zur Vermittlung wirtschaftlicher, rechtlicher, medizinischer, pädagogischer und psychologischer Kenntnisse sowie zu einem kritischen Umgang auch mit elektronischen Kommunikations-Technologien.
    7. Ohne Zusatzkosten zugängliche Übertragungen von Veranstaltungen ermöglichen, die der Öffentlichkeit prinzipiell offen stehen und von allgemeinem Interesse sind
      • bei Parlamentsdebatten
      • bei öffentlich finanzierten oder subventionierten Kulturereignissen
      • bei anderen öffentlichen Großveranstaltungen
      • bei Sportveranstaltungen
  2. Was braucht der öffentlich-rechtliche Rundfunk, um seine Aufgaben erfüllen zu können?

    1. Die Unabhängigkeit vom Staat und von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen muss gewährleistet bleiben. Die verfassungsrechtlich gebotene Bestands- und Entwicklungsgarantie ist dauerhaft materiell zu sichern.
    2. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk braucht deswegen eine ausreichende Finanzierung über Gebühren sowie durch zeitlich begrenzte Werbung und Sponsoring.
    3. Die Rundfunkanstalten müssen personell und technisch so ausgestattet sein, dass sie ihre Aufgaben für die Gesellschaft optimal erfüllen können.

      Dazu gehört,
      • dass die fachlichen Kompetenzen intern in allen Bereichen vorhanden sind. Das gilt insbesondere für die redaktionelle, journalistische und künstlerische Arbeit. Auslagerungen zu freien Produktionsfirmen außerhalb der eigenen Kernkompetenz sind möglich und notwendig.
      • dass die Mitarbeit qualifizierter freiberuflicher Journalisten durch faire Arbeitsbedingungen gesichert ist.
      • dass die interne redaktionelle Planungshoheit nachhaltig gestärkt wird wie auch die Fähigkeit, eigene redaktionelle und journalistische Ideen zu entwickeln und zu realisieren, damit nicht überwiegend nach Marktangeboten eingekauft werden muss.
    4. Hochwertige Aus- und Fortbildung muss für alle im Rundfunk tätigen Berufsgruppen die Grundlage dafür legen, dass Redaktionen und Journalisten den Anforderungen für eine qualitativ verantwortliche Programmarbeit tatsächlich gerecht werden können.
    5. Redakteure und Journalisten brauchen ausreichend Zeit (dürfen also nicht zu sehr mit administrativen und technischen Aufgaben belastet werden), um inhaltliche und handwerkliche Qualität erarbeiten zu können.

      Sie brauchen:
      • Zeit für Recherche, auch für Gegenrecherche von Nachrichten fremder Anbieter
      • Zeit zum Gegenlesen (Vier-Augen-Prinzip)
      • Zeit für interne und externe Programmdiskussionen
      • Zeit für regelmäßige und effektive interne Qualitätskontrolle
      • Zeit für die Beschäftigung mit den eigenen Fachthemen
      • Zeit zur Beschäftigung mit Publikumsforschung und mit Strategien zur Gewinnung von Publikum über bewährte und innovative Präsentationsformen
      • Zeit für eigenständige Projekte (agenda setting)
    6. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen gut ausgestattete, moderne Archive, deren Altbestände gesichert und die mit moderner Digitaltechnik einfach zugänglich sind. Dies ist zur Unterstützung der Programmarbeit und zur Sicherung eines wirtschaftlichen Umgangs mit den Gebühren unverzichtbar.
    7. Die Qualität von Produktion und Technik ist als Bestandteil des Programms ein Markenzeichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das Maßstäbe setzt. Um die Unabhängigkeit vom Markt zu sichern, müssen hauseigene Produktion und Technik sowie Aus- und Fortbildung in relevantem Umfang beibehalten werden.

  3. Zur Bewahrung und Sicherung der Programmqualität empfiehlt der Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk:

[Berlin, Januar 2007]


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Brief an die Vizepräsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission
Dr. Verena Metze-Mangold

Sehr geehrte Frau Metze-Mangold,

Der Berliner Initiativkreis öffentlichrechtlicher Rundfunk gratuliert Ihnen zur Verabschiedung der "UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt" am 21.10.2005 bei der 33. UNESCO-Generalkonferenz mit der Mehrheit von 148 Staaten gegen lediglich zwei Stimmen aus USA und Israel.
Wir wissen, mit welcher enormen Tatkraft Sie sich persönlich für diese Konvention eingesetzt haben und danken auch noch einmal dafür, dass die deutsche UNESCO-Kommission den Initiativkreisen Berlin und Köln die Möglichkeit gegeben hat, am 26.4.2005 als NGO an der 4. Expertenkonferenz im Deutschen Bundestag teilzunehmen.

Vor allem Ihnen und der Vorsitzenden des Kulturausschusses, Frau Monika Griefhan, ist es zu verdanken, dass die Worte „Medien' und „öffentlichrechtlicher Rundfunk" , die in vorherigen Entwürfen schon gestrichen worden waren, auf Vorschlag unserer beiden Kreise wieder in die Konvention aufgenommen wurden.

Damit sind die Medien und der öffentlichrechtliche Rundfunk jetzt vom Schutz der Konvention umfasst. Danach wird die deutsche Rundfunkgebühr, die auch die Finanzierung der Landesmedienanstalten garantiert, in ihrer Doppelnatur künftig primär als kulturelle Intervention und lediglich sekundär in ihren ökonomischen Einflüssen zu behandeln sein.

Leider wurde die Bedeutung der UNESCO-Konvention für das europäische Gesetzgebungsverfahren zur EU-Contentrichtlinie sowie für die GATS-Verhandlungen mit der World Trade Organisation national bisher kaum wahrgenommen. Als völkerrechtliche Grundlage für das Recht aller Staaten zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen verleiht sie der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Landesmedienanstalten eine neuerliche Legitimität gegenüber wettbewerbsrechtlichen Bedenken der EU und der WTO.

Um so mehr gilt es nun, die Ratifizierung der UNESCO-Konvention in den zustimmenden Staaten zu erreichen. Wir wissen, dass auch bei diesen Verhandlungen Ihre Kompetenz und Ihr Einsatz dringend gebraucht werden und hoffen dringend, dass es Ihnen auch weiterhin möglich sein wird, dem Thema entsprechend Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen.

Mit besten Grüßen des Berliner Initiativkreises

Antje Karin Pieper

[Berlin, 26. Oktober 2005]


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Stellungnahme zur Diskussion um eine Rundfunkstrukturreform

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk begrüßt ausdrücklich, dass die im Zusammenhang mit der erforderlichen Erhöhung der Rundfunkgebühren entstandene Dis­kussion um eine Reform von Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bundes­republik Deutschland nun offenbar zunehmend verfassungsgemäß und sachgerecht von der Frage einer aktuellen Gebührenerhöhung getrennt behandelt wird. Sachgerecht erscheint dies auch deshalb, weil Umstrukturierungen - unabhängig von damit mittel- oder langfristig verbundenen Einspareffekten - in aller Regel zunächst einmal zusätzliche Anstrengungen erfordern und zusätzlichen Aufwand verursachen.

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk hält die Diskussion um eine Reform von Strukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für legitim. Er verkennt aller­dings nicht, dass eine Reihe von Strukturen des Rundfunks, die unter wirtschaftlichen Ge­sichtspunkten in Frage zu stellen wären, aus der Politik vorgegeben wurden und die heutigen Rundfunk­gebühren daher in Teilen auch ein Preis für früher getroffene politische Entscheidungen sind. Die Nachbildung der föderalistischen Gliederung der Bundesrepublik in Landesrund­funk- und Landesmedienanstalten oder die Ausstattung von Anstalten mit zwei, drei, ja fünf gesetzlich bzw. staatsvertraglich vorgeschriebenen Standorten sind nur zwei Beispiele für Konstruk­tionsmerkmale unseres Rundfunksystems, die nicht allein wirtschaftlicher Rationalität folgen, sondern politischem Gestaltungswillen.

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk sieht Strukturreformen nicht als Selbstzweck. Strukturen dienen einem Zweck und sind auf den Zweck optimiert unter Effektivitätsgesichtspunkten zu gestalten. Die richtige Fragestellung lautet: Wie kann die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks möglichst effektiv, d.h. mit größtmöglichem Erfolg bei kleinstmöglichem Aufwand, erfüllt werden? Wenn die Diskussion über Strukturreformen dagegen mit der Fragestellung eröffnet wird, welches Leistungsangebot für Bürger und Gesellschaft entfallen kann, ist Misstrauen angebracht.

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk rät in der Diskussion um eine Reform der Rundfunkstrukturen zu Sorgfalt. Die bisher sichtbaren Ergebnisse der weithin ausgebrochenen Reformhektik mahnen zur Vorsicht. Es gilt, verbreitete betriebswirtschaftliche Glaubensbekenntnisse nicht einfach ungeprüft auf Bereiche zu übertragen, die – wie unsere Rundfunkanstalten – einen sensiblen öffentlichen Auftrag wahrnehmen. So arbeiten z.B. größere Einheiten nicht zwangsläufig effektiver, die Fusionswelle der letzten Jahre in der Wirtschaft hat gezeigt, welche Gegeneffekte sich aus erhöhten Reibungswiderständen im Innern und vermehrter Selbstbefassung ergeben können; Outsourcing und die Konzentration auf Kernaufgaben senken nicht zwangsläufig die Kosten, erhöhen aber Abhängigkeiten und führen zu einem Verlust an Know-How.

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist überzeugt, dass nur in einer kooperativen Anstrengung von Politik und Rundfunkanstalten eine sinnvolle Reform der Rundfunkstrukturen erreicht werden kann. Ein kooperatives Vorgehen, wie es sich jetzt abzuzeichnen scheint, hält er nicht nur aus sich aufdrängenden verfassungsrechtlichen Erwägungen, sondern auch im Blick auf das Ziel möglichst effektiver Rundfunkstrukturen und einer dauerhaft sozialverträglichen Höhe der Rundfunkgebühren für alternativlos.

Gleichzeitig nimmt der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk zu einigen grundsätzlichen Problemen Stellung, die mit der Reformdiskussion angesprochen sind, die Verantwortlichen aber auch zukünftig noch beschäftigen werden::

Stichwort: Grundversorgung, Funktionsauftrag des Rundfunks

Medienpolitik ist nicht zur Programmgestaltung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk berufen. Es ist Sache der Rundfunkanstalten, für ihre Programme zu konkretisieren, was der Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Gegenwart unserer Gesellschaft erfordert. Gesellschaft und Politik haben jedoch Anspruch darauf, dass die Rundfunkanstalten diese Konkretisierung ihres Funktionsauftrages vornehmen und nicht im Abstrakten belassen, sondern in plausibler Weise in ihrer Programmgestaltung umsetzen und dies öffentlich darstellen und verantworten.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nicht Selbstzweck, sondern erfüllt eine der Gesellschaft dienende Funktion. Darin liegt die Legitimation für die Erhebung der Rundfunkgebühren von der Allgemeinheit – auch gegenüber dem europäischen Verbot staatlicher Beihilfen. Diese Legitimation muss aber in den Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch erkennbar bleiben. Maßstab ist dabei der Realitätsbezug der einzelnen Programmangebote, ihr Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs, ihre politische, kulturelle, gesellschaftliche, künstlerische Relevanz.

Behandelt eine Sendung etwas, das die Öffentlichkeit betrifft oder verbreitet sie nur voyeuristischen Klatsch über so genannte Promis? Gewöhnt eine Sendereihe an mediale "Normalität" des Randständigen oder vermittelt sie neue Perspektiven für die gesellschaftliche Entwicklung? Schafft eine Talkshow Plattform für Schmarotzer und Geschäftemacher oder präsentiert sie Persönlichkeiten, die nicht Teil der Probleme unserer Gesellschaft sind, sondern Ansätze zu deren Lösung schaffen? Bemüht sich eine Unterhaltungssendung, ein breites Publikum herauszufordern, oder biedert sie sich bei der Masse an ? Dient eine aufwändige Sportübertragung der Befriedigung eines in der Bevölkerung verbreiteten Interesses oder leistet sie lediglich der Kommerzialisierung einer Randsportart Vorschub?

Spiegeln eigentlich die Programmangebote die Vielfalt unserer Gesellschaft oder vermehren sie nur die Einfältigkeit ? Die Öffentlichkeit, auch die medienpolitische, hat jede Legitimation, diese Fragen zu stellen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben nur dann eine Legitimation, wenn sie darauf eine befriedigend schlüssige Antwort in ihren Programmen geben können.

Stichwort: Kulturprogramme, Rundfunkorchester

In einer Kultur- und Medienlandschaft, die in wachsendem Umfang von Kommerzialisierung geprägt ist, gewinnt das Prinzip "Rundfunk für alle" zunehmende Bedeutung. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird nicht zu viel Kultur für zu wenige Interessenten produziert, sondern zu wenig Kultur für viele interessant gemacht. Neben Musik, Kunst und Kultur aus zweiter Hand muss in den Programmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch weiterhin die originäre Produktion von Kunst und Kultur ihren Platz finden können. Dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dabei die Urheberrechtsflucht an ausländische Produktionsstätten nicht antreten können und sollen, muss bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden.

Zwar bedeutet das Prinzip "Rundfunk für alle" für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch die Verpflichtung, sein Gesamtangebot mehrheitsfähig zu halten, indem er den erkennbaren Wünschen und Interessen eines breiten Publikums gerecht wird. "Für alle" schließt aber besondere Programmangebote, die sich an kleinere Zielgruppen wenden, unverzichtbar ein, weil nur auf diese Weise die gesetzliche Forderung nach einer umfassenden und möglichst ausgewogenen Berücksichtigung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen erfüllt werden kann.

Vor allem in der Fläche, abseits urbaner Zentren, wäre das Kulturangebot in Deutschland um vieles ärmer, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf die Vermittlung von publizistischen und künstlerischen Darbietungen beschränkt würde und nicht auch weiterhin ein gestaltender Faktor bleiben könnte, der publizistische und künstlerische Prozesse initiiert und produziert oder begleitet. Viele Kunst- und Kulturprojekte sind nur möglich, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit dem Erwerb von Senderechten finanziell dazu beiträgt, manches kann nur geschehen, wenn er es selber produziert. Deshalb ist der Aufwand für die eigenen Orchester und Chöre nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig. Hierauf zu verzichten, aber die Gehälter von Bundesligafußballern weiterhin über die Rundfunkgebühr hochzuhalten, mag populär erscheinen, richtungweisend ist es nicht.

Um ihrem Kultur- und Bildungsauftrag gerecht zu werden, müssen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme sich auf qualifizierte Fachredaktionen, hinreichende Finanzmittel und auffindbare Programmplätze stützen können. Dass anspruchsvolle Kulturprogramme angeb­lich "nur von wenigen" gehört und gesehen werden, darf kein Anlass sein, sie programm­strukturell, personell und finanziell zu vernachlässigen und in minder beachtete Nischen abzudrängen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird seinem Programmauftrag nur dann wirklich gerecht, wenn er mit attraktiven Gestaltungsformen und attraktiven Programmplätzen kulturfeindlichen Tendenzen gegensteuert und der weiterhin erkennbaren Kulturfremdheit durch überzeugende eigene Angebote zukunftsorientiert entgegentritt.

Stichwort: Programmvielzahl und Programmvielfalt

Die Vielzahl der Programme öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten kann nur durch eine vielfältige Programmgestaltung gerechtfertigt werden. Spielfilme und Volksmusik zur Hauptsendezeit auf allen Kanälen, während Anspruchsvolleres schon von der Sendezeit her weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, verfehlen den Grundversorgungsauftrag. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Grundversorgung mit seinem Gesamtangebot zu erfüllen. Das setzt zwingend voraus, dass er seine Programme als Gesamtangebot für alle versteht und gestaltet, statt sich in der Hauptsendezeit mit ähnlichen Programmen die gleiche Zuschauergruppe gegenseitig abzuwerben.

Während im dualen System kommerzielle Programme von der Pflicht entbunden sind, ein Gesamtangebot unter Berücksichtigung von Minderheiten zu liefern, obliegt den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Pflicht, im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Grundversorgung die Gesamtbevölkerung, Mehrheiten und Minderheiten, zu erreichen, und zwar auch zu zuschauerfreundlichen Zeiten. Wenn sich diese Forderung im Rahmen eines Programms auch nur unvollkommen erfüllen lässt, würde doch eine konsequente Koordination zwischen ARD und ZDF zu weniger Konkurrenz um Zuschauerinteressen gleicher Richtung führen.

Die Hauptforderung an ein Gesamtangebot für alle richtet sich allerdings an die ARD, die im Fernsehen mit dem Ersten Deutschen Fernsehen und inzwischen sieben bundesweit über Satellit und Kabel empfangbaren und tatsächlich genutzten Dritten Programmen prädestiniert ist, dem Verfassungsgebot einer inhaltlich umfassenden und zuschauerfreundlichen Grundversorgung durch eine entsprechende ARD-eigene Abstimmung ihrer Programme zu entsprechen. Voraussetzung hierfür ist eine Programmplanung, in der die Dritten Programme in der Hauptsendezeit weder untereinander noch mit dem Ersten um gleiche Zuschauerinteressen konkurrieren, sondern jeweils verschiedene Zuschauergruppen ansprechen. Dadurch würde der Publikumserwartung – und dem Verfassungsgebot - entsprochen, dass zur Hauptsendezeit nicht nur populäre Massenprogramme zur Ausstrahlung kommen, sondern die Vielfalt unserer Gesellschaft – auch die regionale – sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirklich widerspiegelt. So kommen auch Programme mit geringeren Quotenchancen zu zuschauerfreundlichen Zeiten zur Sendung und der berechtigten Klage darüber, dass anspruchsvolle Sendungen in die Spät- oder Nachtschiene abgeschoben werden, wird abgeholfen.

Programmplanung ist nicht Sache der Medienpolitik. Es kann aber von der ARD als Gemeinschaft wie von den einzelnen Landesrundfunkanstalten erwartet werden, sich im Wege einer gremienbestätigten Selbstbindung zu einem solchen Programm-Planungs-Verhalten zu verpflichten. Sie begegnen damit zugleich Bedenken, sie würden zu viele (gleiche) Programme anbieten, da eine breite Programmvielfalt auch in den Hauptsendezeiten entstünde. Eine Selbstbindung der Anstalten gegenüber ihren Aufsichtsgremien bzw. gegenüber der ARD-Hauptversammlung, der Versammlung der Intendanten und der Gremienvorsitzenden, ist dabei verfassungsrechtlich jeder politischen Vorgabe vorzuziehen. Die Rundfunkräte als Vertreter von Gesellschaft und Allgemeinheit sind hinreichend legitimiert, Programmstrukturfragen verbindlich zu regeln.

Stichworte: Finanzierung der Landesmedienanstalten / Zentraler Kommunikationsrat

Der bedarfsunabhängig auf 2 % festgeschriebene Anteil der Landesmedienanstalten an den Rundfunkgebühren ist ein politischer Strukturfehler der eine auf den Bedarf begrenzte Finanzierung ihrer Aufgaben behindert und zur Aufgabenausweitung verleitet; der Umfang der Aufgaben der Landesmedienanstalten hat mit dem Finanzvolumen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nichts zu tun.

Mehr Zentralismus bedeutet noch nicht mehr Effektivität, sicher aber weniger horizontale Gewaltenteilung und mehr Bürgerferne. Forderungen nach Reduzierung der Zahl der Landesmedienanstalten oder gar nach einem "Zentralen Kommunikationsrat" als Aufsicht über öffentlich-rechtliche, kommerzielle und private Sender tangieren das gerade in der Kulturpolitik schwer verzichtbare föderale Grundgerüst der Bundesrepublik Deutschland. Gelänge es in der Föderalismus-Debatte, schlüssig eine andere Aufteilung der Bundesrepublik in Länder zu finden, würden die medienrechtlichen Strukturen dem sicher zu folgen haben; Medienpolitik taugt aber nicht zum Versuchsfeld für Föderalismus-Experimente.

Empfehlungen, die 15 Landesmedienanstalten nicht länger aus ihrem 2 %igen Anteil an den Rundfunkgebühren zu finanzieren, sondern für ihren Auftrag künftig Steuermittel oder Zwangsbeiträge privater Sender in Anspruch zu nehmen, verkennen, dass die Me­dienan­stalten über Zulassung und Beaufsichtigung privater Sender hinaus auch für technische Infrastruktur, Förderung neuer Übertragungstechniken und die Pflege von Medienpädagogik und Medienkompetenz zuständig sind und insge­samt damit Hoheitsaufgaben im Rahmen des Rundfunksystems wahrnehmen. Bedenken der KEF, ob die Finanzausstattung der Medienanstalten "strikt bedarfsgerecht" ist und ob sie "bedarfsunabhängig an Rundfunk­gebühren" gekoppelt werden sollte, treffen allerdings eine strukturelle Schwäche, wenn sich bei einzelnen Landesmedienan­stalten eine Tendenz zeigt, mit den so nun einmal vorhandenen Mitteln neue Aufgabenfelder zu erschließen.

Medienpolitische und medienwissenschaftliche Empfehlungen, die Zahl der Landesmedienanstalten drastisch zu verringern, zeigen nur, wie sehr das Schlagwort vom "dualen System" den Blick verkürzt. Das duale System hat längst ein drittes Element, das quotenmäßig kaum zu Buche schlägt und dennoch seinen Beitrag zur regionalen Vielfalt und zur Sicherung von Minderheiten-Rechten leistet: Allein die Bayerische Landesmedienanstalt betreut 63 Lokalradios, in Nordrhein-Westfalen gibt es 150 Radio-Werkstätten, 70 Offene Kanäle lieferten im Sommer 2003 Hörfunk- und Fernsehprogramme. Bürgerfunk, Aus- und Fortbildungskanäle, nichtkommerzielle Lokalsender, regional wirksame Stationen auf kommerzieller Basis, wie in Brandenburg typisch, - das alles in die Obhut eines zentralen Kommunikationsrates zu geben, ist einer demokratischen, von Meinungsvielfalt geprägten Gesellschaft nicht förderlich. Einer Hand voll bundesweiter Anbieter mit entsprechender Wirtschaftskraft ist der Weg zu 15 Medienanstalten eher zuzumuten, als dem lokalen Radio-Verein der Weg zu einer Bundes-Kommunikations-Oberbehörde. Freilich können die Landesmedienanstalten mit arbeitsteiligem Vorgehen und Verstärkung ihrer schon begonnenen und bewährten Zusammenarbeit (z.B. Jugendschutz, Digitalisierung etc.) noch ein Stück Bürokratieabbau leisten.

Eine Zusammenfassung der Aufsicht über öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, kommerzielle und private Veranstalter in einem zentralen Kommunikationsrat verletzt mit dem föderalen Prinzip auch ein Stück horizontaler Gewaltenteilung und ist tendenziell vielfaltfeindlich. Eine solche Zusammenballung von Macht über die elektronischen Medien im Lande schaffte nicht nur ungezügelte politische Begehrlichkeiten, sondern früher oder später auch politische Fakten. Ist der Zugriff politischer und sonstiger Interessengruppen auf die elektronischen Medien in der Bundesrepublik Deutschland schon oft genug ein Ärgernis, so ist doch in den heutigen Strukturen ihre Gleichschaltung mehr als unwahrscheinlich. Bei allem Sparwillen, das sollten wir uns auch zukünftig leisten.

Stichworte: Produktionsaufwand / Outsourcing

Die eigentlichen Sparpotentiale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürften in ihrem Produktionsaufwand zu finden sein. Nicht jeder Nachrichten-Take ist ein Doku-Drama, nicht jeder Magazin-Beitrag ein Filmkunstwerk. Hätte der Gesetzgeber dies bei der Neugestaltung des Urheberrechts berücksichtigt, wären strukturelle Mehrkosten daraus durchaus vermeidbar gewesen. Doppelstrukturen in der Produktion und unverhältnismäßiger Produktionsaufwand sind ebenso unvertretbar wie das völlige Aus-der-Hand-Geben des Produktionsgeschehens.

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schulden dem Gebührenzahler Rücksicht auf dessen Portemonnaie. Wenn eine Landesrundfunkanstalt im Gebiet einer anderen selbst produziert, statt technische Hilfe zu erhalten, wenn Mitarbeiter öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten in Mannschaftsstärke anreisen, wo kommerzielle Sender gleiche Zwecke mit einem EB-Team erreichen, wenn innerhalb einer Landesrundfunkanstalt zwei Teams zu einem Ereignis antreten, weil die Zulieferung des Landesfunkhauses den Ansprüchen der Zentralredaktion nicht genügt, oder weil für Hörfunk und Fernsehen Aufnahmen gebraucht werden, kurz, wenn Koordinationsversäumnisse den Aufwand vermehren, dann stimmt etwas nicht. Viele Bürger, die Rundfunkproduktionen – Fernsehen, aber auch Radio – in Live-Sendungen oder als Passanten miterleben, fragen, ob der beobachtete Aufwand notwendig und deshalb gerechtfertigt ist. Ihnen schulden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Nachweis, dass sie in ihrem Produktionsgeschehen so kostensparend wie möglich agieren. Die Rundfunkgebühr ist nur in der notwendigen Höhe gerechtfertigt.

Die große Show, der historische Fernsehfilm, das Dokudrama und viele andere anspruchsvolle Sendungen verlangen großen Aufwand, um professionellen Ansprüchen zu genügen. Dieser Aufwand bleibt möglich, wenn dort, wo "Tagesware" hergestellt wird, eine möglichst schlanke Herstellungsweise durchgesetzt werden kann.

Durchaus kritischer Überprüfung im Einzelfall bedarf auch die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbreitete Praxis, einer schon nicht mehr aktuellen Management-Mode folgend "Outsourcing" zu betreiben. Hierher gehört die Gründung immer neuer Tochter- und Enkelgesellschaften mit teils bedenklicher Entfernung von den Aufsichtsgremien der "Mutteranstalt" ebenso, wie die Vergabe ganzer Produktionsreihen an freie Unternehmer, häufig genug selbst Moderatoren / Gastgeber von Talkshows. Schon ein Blick in das geltende Umsatzsteuerrecht offenbart, dass solche Produktionen nur dann zum Selbstkostenpreis der Rundfunkanstalt hergestellt werden können, wenn entweder die Selbstkostenrechnung deutlich zu hoch ausfällt, oder aber die Produktionsfirma mit Dumpinglöhnen oder mit Unterstützung von Fremdmitteln arbeitet, die ohne Schleichwerbung, Product-Placement oder sonstige Einflüsse auf die Programminhalte nicht zu bekommen sind.

Stichworte: Technische Entwicklung / Digitalisierung

Die Rundfunktechnik wurde nicht mit Gebührenmitteln in den Sattel gehoben, um Steckenpferde zu reiten. So wenig der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Interesse der Allgemeinheit von der Nutzung moderner Technik ausgeschlossen werden darf, so wenig hat er andererseits Anlass, mit Gebührenmitteln in die Entwicklung aller denkbaren technischen Neuerungen zu investieren, wenn sie ihrer Art nach weder von den Hörern und Zuschauern als Qualitätsverbesserung wahrgenommen werden können, noch ein Rationalisierungs- oder Einsparpotential in sich tragen.

Die von den Rundfunkanstalten – einer medienpolitischen Forderung folgend – in den vergangenen Jahren vorangetriebene Digitalisierung oder jegliche digitale Zusatzangebote auf der Suche nach Einsparmöglichkeiten medienpolitisch in Frage zu stellen, ist allerdings kontraproduktiv.

Zum einen, weil der Umstieg auf Digitaltechnik und ihre Verbreitung im Markt industriepolitisch gewollt war und zur Gewinnung von Frequenzen für neue Mehrwertdienste erforderlich bleibt und eine Rückentwicklung dieser Technik längst undenkbar ist, zum anderen, weil die Digitalisierung wie die Verbreitung von Programmen über Kabel und Satellit, bei entsprechender Marktdurchsetzung mittelfristig auch strukturell zu dramatischen Einsparungen z.B. im Energieverbrauch führen kann. So hat etwa die ARD der Forderung nach Zentralisierung aufwändiger technischer Einrichtungen durch den Aufbau des digitalen Play-Out-Zentrrums in Potsdam Rechnung getragen.

Da im dualen System die digitale Infrastruktur für private Rundfunkveranstalter über die Landesmedienanstalten aus dem 2%igen Gebührenanteil finanziert wird, wäre die Ausgewogenheit des dualen Systems in Frage gestellt, wollte man den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Finanzierung gleicher Technik aus ihrem Anteil an der Rundfunkgebühr beschneiden. Eine solche Begrenzung der Verbreitungsmöglichkeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks trüge den Stempel der Verfassungswidrigkeit auf der Stirn.

Stichworte: Online-Dienste / Sponsoring / Werbung

Die mit dem Internet gegebenen zusätzlichen Möglichkeiten führen nicht zu einer Erweiterung des Anstaltszwecks der Rundfunkanstalten. Das Internet löst nicht den herkömmlichen Rundfunk ab, Internetnutzung ergänzt die Rundfunknutzung.

Nur eine Selbstbeschränkung auf rein programmbezogene Nutzung des Internet führt das öffentlich-rechtliche System zurück zu seinen Kernaufgaben. Jede Ausweitung in kommerziellen Wildwuchs hinein bewirkt kartellrechtlich relevante Wettbewerbsverzerrzungen, die mit der Gebührenfinanzierung in Widerspruch stehen.

Sponsoring ist in seiner gegenwärtigen Ausprägung längst nicht mehr Mäzenatentum der Wirtschaft für besondere Programmangebote, sondern (billige) Werbung im Programm. Zum Schutz der öffentlich-rechtlichen Programme und für eine klare Aufgabenabgrenzung zwischen kommerziellen Veranstaltern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollte das Sponsoring von Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk klar den im Übrigen geltenden Werbebeschränkungen unterstellt werden. Die Übertragung gesponserter Veranstaltungen Dritter und die Berichterstattungen darüber muss allerdings im Interesse der Allgemeinheit erlaubt bleiben.

Der Verzicht auf das Sendungssponsoring führt lediglich zu geringen Einnahmeverlusten der öffentlich-rechtlichen Anstalten (nur ca. 56 Millionen € in 2003 für ARD und ZDF), gleichzeitig aber zum Abbau des mit der Sponsorengewinnung verbundenen Personalaufwandes und vor allem zur Reduzierung externer Programmeinflüsse werblichen Charakters. Die von vie­len Zuschauern registrierte "Programmverschmutzung" durch zunehmende Durchmischung von Werbung und Programm würde reduziert.

Im übrigen erscheint es dem Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk erwägenswert, abseits der aktuellen Reformdiskussion und ohne Bezug zur anstehenden Erhöhung der Rundfunkgebühren, das "Nullsummenspiel" bei der Fernsehwerbung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch unter den Gesichtspunkten mangelnden wirtschaftlichen Nutzens einerseits und eher schädlicher Ein­flüsse auf das Programm andererseits gelegentlich einmal unvor­eingenommen kritisch zu hinterfragen.

[08. März 2004]


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Offene Gratulation an die Mitglieder des Rundfunkrates
des Rundfunks Berlin-Brandenburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu Ihrer Wahl In den Rundfunkrat des RBB gratuliert Ihnen der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk und wünscht Ihnen Glück und Erfolg für die zukünftige Arbeit.

Wichtige Aufgaben erwarten Sie schon in den nächsten Wochen. Wir vertrauen darauf, daß Sie von Ihren Rechten und Pflichten als unabhängige und nicht weisungsgebundene Rundfunkratsmitglieder in einer Weise Gebrauch machen können und wollen, die der vom Grundgesetz geschützten Rundfunkfreiheit entspricht.

Das Bundesverfassungsgericht hat schon in seinem für die Rundfunkordnung in Deutschland richtungweisenden Urteil vom 26.02.1961 festgestellt, der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden. Die Rundfunkveranstalter müssten vielmehr so organisiert sein, „dass alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluss haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können".

Das höchste deutsche Gericht hat mit dieser Formulierung darauf aufmerksam gemacht, dass der Staat (und damit auch die Regierungen) dem Rundfunk gegenüber zu großer Zurückhaltung verpflichtet sind. Ebenso wenig dürfen die politischen Parteien allein über Sach- und Personalfragen bestimmen. Vielmehr müssen sie ihren Einfluss begrenzen und mit anderen für die Rundfunkarbeit gesellschaftlich relevanten Kräften teilen.

Daraus folgt, dass es irgendwelche Vorschlagsrechte von Regierungen oder Parteien für bestimmte leitende Positionen ebenso wenig geben darf wie den sogenannten Proporz bei deren Besetzung. Eine Bevorzugung parteipolitisch „genehmer" Bewerberinnen oder Bewerber widerspräche der Rundfunkfreiheit ebenso wie eine Benachteiligung von professionell qualifizierten Persönlichkeiten, die sich der parteipolitischen Zuordnung entziehen.

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk, in dem sich Menschen zusammengefunden haben, die sich aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation als Wissenschaftler, Juristen, Publizisten und Pädagogen, aber auch aus persönlicher Überzeugung, für die Rundfunkfreiheit einsetzen, möchte Sie ermutigen, Ihre eigene Unabhängigkeit als Rundfunkratsmitglieder voll wahrzunehmen und sich allen Versuchen unangemessener Beeinflussung zu widersetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Antje Karin Pieper

[20.01.2003]


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Stellungnahme des Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk
zum Entwurf eines Staatsvertrages über
die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt
der Länder Berlin und Brandenburg

Der Berliner Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk sieht in dem vorliegenden Entwurf eines Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg einen Ansatz, der im wesentlichen an die positiv entwickelten Standards der Rundfunkgesetzgebung der deutschen Bundesländer anknüpft.

Sorge bereitet dies nur, wo aus der besonderen Lage der neuen Rundfunkanstalt Anlaß bestehen müßte, mit gesetzgeberischer Phantasie die Standards weiter zu entwickeln. Wenn die Präambel des Staatsvertrages den Auftrag formuliert, "Die gemeinsame öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt trägt durch ihre Programme zur Förderung der kulturellen Identität und Vielfalt bei", so kann dieser Anspruch nur erfüllt werden, wenn die neue Anstalt in Programmgestaltung und Organisation die besondere Struktur des Raumes Berlin-Brandenburg berücksichtigt.

Das Sendegebiet ist im Vergleich zu anderen Anstalten der ARD ohne Parallele: Eine Großstadt mit 3,4 Mio. Einwohnern wird von einem relativ dünn besiedelten und weithin ländlich strukturierten Flächenland mit 2,6 Mio Einwohnern umgeben. Dieses Hauptproblem der Raumplanung beschreibt zugleich eine wichtige Aufgabe der neuen Rundfunkanstalt: Sie muß mit ihren Programmen, wie es in § 3 Abs. 2 bzw. § 4 Abs. 3 heißt, der "regionalen Vielfalt" Rechnung tragen. Diese Zielsetzung erfordert, wenn sie nicht nur Proklamation bleiben soll, besondere Anstrengungen und Maßnahmen.

Der Staatsvertrag enthält insoweit zwar die Bestimmung des § 2 Abs. 3, wonach Regionalstudios mindestens in Cottbus und Frankfurt einzurichten sind, für den ländlichen Norden, Süd- und Nordwesten Brandenburgs ergibt sich aber aus dieser Strukturvorgabe nichts. Der Initiativkreis plädiert nicht dafür, dass der Staatsvertrag kostenträchtige Standorte festschreiben möge, wohl aber dafür, dass strukturell Vorkehrungen getroffen werden, die Gewähr dafür bieten, daß sich die Regionen im Programm der neuen Anstalt wiederfinden können. Methodisch kann dies auch dadurch erreicht werden,

Darüber hinaus regt der Berliner Initiativkreis - aus vorangegangenen Erfahrungen mit Senderfusionen - an, eine externe konzeptionelle Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vor Fusionsbeginn durchzuführen, vor allem im Hinblick auf den geplanten Doppelsitz der Anstalt. Hierbei sollten die Optimierung der Technikstrukturen sowie die Integration der Mitarbeiter von SFB und ORB mit entsprechenden Rückwirkungen auf das Programm im Vordergrund stehen. Auch die Übergangsregelung von analoger zur digitalen terrestrischen Versorgung in § 3 Abs. 3 erscheint problembehaftet, da eine dauerhafte und kostengünstige Vollversorgung der Bevölkerung im gesamten Sendegebiet Teil des öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrags ist.

Abschließend weist der Initiativkreis - im Interesse der Optimierung des öffentlich-rechtlichen Systems - darauf hin, dass bei der Zusammensetzung des Rundfunkrates die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte "Bürgerbank" und die "Kulturbank" zugunsten der "Verbände-" und der "Staatsbank" unterrepräsentiert sind. Eine gewichtigere Teilhabe der Zuschauer am Fernseh- und Radiogeschehen erscheint uns für eine Stärkung der Zivil- und Kulturgesellschaft dringend erforderlich.

[19. März 2002]


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